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Rede zum Weinheimer Haushalt 2016

[Rede von Stadtrat Dr. Carsten Labudda, DIE LINKE, vom 24. Februar 2016]

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Zu Beginn eine Vorbemerkung: Wir wollen heute über den Haushalt unserer Stadt Weinheim entscheiden. Wie schon seit Jahren tun wir das nicht zum Ende des Vorjahres, sondern im laufenden Haushaltsjahr. Das kritisiere ich schon lange, doch leider haben Sie, Herr Oberbürgermeister, diese Unsitte wieder nicht abgestellt. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass Ihnen der Druck, den die Macht des Faktischen während der Interimswirtschaft in den ersten Monaten des Jahres ausübt, gut zupass kommt, und Sie deshalb daran festhalten, uns als dem darüber entscheidenden Gremium den Haushaltsentwurf erst in der Dezembersitzung vorzulegen und die Abstimmung dann herbei zu führen, wenn das Haushaltsjahr schon eine Weile läuft. Daher würde mich interessieren: Können Sie das nicht ändern oder wollen Sie das nicht ändern?

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Wir haben im letzten Jahr auf Ihren Vorschlag hin beschlossen, Ihren Verfügungsrahmen für Auftragsvergaben von 50 auf 100 Tausend Euro zu erhöhen. Sinn und Zweck sollte unter Anderem sein, zeitliche Schwierigkeiten und Zahlungsverzüge zu vermeiden. Auch DIE LINKE hat dem zugestimmt. Ich will aber nicht verhehlen, dass es die eine oder andere Entscheidung gab, bei der ich lieber eine entgegengesetzte Entscheidung gefällt hätte. So stieß mir auf, dass Sie freihändig 35 Tausend Euro locker machen konnten, um die Namenstafeln des Nazi-Denkmals neu bemalen zu lassen. Es geht mir persönlich dabei weniger darum, dass Angehörige ihrer Toten gedenken wollen. Das ist völlig legitim. Jedoch, Herr Oberbürgermeister, kann ich mich sehr gut erinnern, dass Sie bei der etwa gleich teuren Sanierung des Kriegerdenkmals auf dem Marktplatz Spenden sammeln ließen und eben nicht die Steuerzahler in die Pflicht nehmen wollten. Warum gilt das für das eine aber nicht für das andere Denkmal?

Eines will ich noch anbringen, ehe ich das Objekt der Kritik wechsele. So hatte ja der Gemeinderat gegen unsere Stimmen entschieden, dass die Gewerkschaft aus ihrem Büro am Marktplatz heraus muss. Die Verwaltung wollte helfen bei der Suche nach Ersatz. Möglich gewesen wäre der ehemalige Handtuchladen in der Bahnhofstraße, direkt unter dem Stadtjugendring. Leider war das zuständige Amt der Auffassung, man habe einen besseren Mieter an der Hand. Das Ergebnis: Die Gewerkschaft ist woanders unter gekommen und der Laden im städtischen Gebäude steht nun schon ein halbes Jahr leer. Zum Image-Verlust auch noch keine Mieteinnahmen. Schade.

Jetzt ein kleines Schmankerl zum Einstieg in den Haushalt: Es ist beim Strandbad Waidsee von einer gewissen Ironie, dass der Betrieb dereinst privatisiert wurde, um Kosten zu drücken, wir aber nun zu dem immer noch sechsstelligen Zuschuss unserer Steuerzahler nochmal einen fünfstelligen Betrag aufwenden sollen, damit ein neuer städtischer Mitarbeiter bestellt werden kann, zu schauen, dass der private Betreiber des Strandbades das tut, wozu er sich vertraglich verpflichtet hat. Da wäre uns seitens der LINKEN eine konsequente Rekommunalisierung weiterhin lieber.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wie alle Fraktionen haben wir auch bei der LINKEN intensiv über den vorliegenden Haushaltsentwurf diskutiert. Und ich sage es offen: Noch nie ist es uns so schwer gefallen wie in diesem Jahr. Das hat zwei Gründe:

  1. Die finanzielle Lage unserer Stadt sah noch nie so schwierig aus.
  2. Unsere wichtigsten Anträge der letzten Jahre wurden von der Verwaltung erstmalig berücksichtigt.

Wie Sie wissen, fordert DIE LINKE seit Jahren, dass der Hebesatz zur Gewerbesteuer von 350 auf 380 Punkte angehoben wird. Mal erzählte uns die Verwaltungsspitze, dass es der Wirtschaft gut gehe und eine Anhebung würde die Konjunktur abwürgen. Dann erzählte man uns, dass es der Wirtschaft schlecht gehe und man sie darum nicht belasten dürfe. Beim nächsten Mal hieß es dann, der Wirtschaft gehe es ja recht gut, aber die Unternehmer hätten ihren Sparstrumpf noch nicht ausreichend gefüllt, um die am Längsten unveränderte kommunale Steuer Weinheims zu erhöhen. Dieses Jahr nun, wo es offensichtlich gar nicht mehr anders geht, ist plötzlich möglich, was viele Jahre Tabu war. Wären Verwaltung und Gemeinderatsmehrheit der LINKEN bereits vor sechs Jahren gefolgt, hätten wir nach den uns bekannten Zahlen inzwischen gut acht Millionen Euro mehr eingenommen. Angesichts der desolaten Lage unseres Haushaltes hätten wir das Geld gut gebrauchen können. Nun also muss es unserer Stadt erst richtig schlecht gehen, damit der Antrag der LINKEN, den Sie seit sechs Jahren immer wieder ablehnen, endlich beschlossen wird. Lediglich einige Hardliner bei den Freien Wählern meinen immer noch, dass gewinnträchtige Unternehmen – genau diese betrifft die Gewerbesteuer ja – weiterhin nicht im notwendigen Maße an der Sicherung des Gemeinwohls beteiligt werden müssten. Da möchte ich schon die Frage in den Raum stellen, ob Steuerberater, die unter Anderem mit Gewerbesteuerzahlern ihr Geld verdienen, sich nicht besser für befangen erklären sollten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Auch bei einem zweiten Thema hat die Macht des Faktischen ermöglicht, was DIE LINKE – und in diesem Falle auch die FDP – seit Jahren predigen. Das von vielen erhoffte Schul- und Kulturzentrum West – die große Lösung sozusagen – ist nicht finanzierbar. Wir sind seitens der LINKEN mit den anderen Fraktionen einer Meinung, dass es dringend einen Neubau für die völlig marode Albert-Schweitzer-Schule geben muss. Deshalb freuen wir uns seitens der LINKEN auch darüber, dass der fraktionsübergreifende Konsens in Form eines Antrages formuliert wurde. Wir wollen den Schulneubau auch. Aber – und das stimmt uns unzufrieden – wir können dem u.A. von GAL und Weinheimer Liste formulierten Antrag nicht zustimmen. Der Grund liegt in einer völlig unseriösen Finanzierung. Warum?

  1. Die Antragsteller wollen die Kosten für die Anschlussunterbringung in einen Eigenbetrieb „Sozialer und integrativer Wohnungsbau“ auslagern. So sympathisch uns LINKEN die Idee einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ist, so problematisch sehen wir den in diesem Zusammenhang damit verknüpften Versuch, städtische Schulden aus dem Kernhaushalt in einen Schattenhaushalt auszulagern. Um den Kernhaushalt vom Regierungspräsidium genehmigt zu bekommen, soll so getan werden, als hätten wir weniger Schulden als wir tatsächlich haben. Die Schulden sind aber da, und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen dafür gerade stehen. Liebe GAL und Weinheimer Liste, Sie rufen hier immer wieder nach mehr Transparenz, und versuchen nach meiner Meinung an dieser Stelle, Schulden zu verschleiern, um eine Genehmigung zu erschleichen. Das hat mit seriöser Haushaltsführung nicht zu tun. Dabei brauchen wir in der Tat mehr Transparenz, wenn wir von dem realen Schuldenberg wieder herunter kommen wollen.
  2. Die Antragsteller wollen die erhofften Einnahmen aus den Grundstücksprivatisierungen bei der Albert-Schweitzer-Schule und – entgegen unserer Auffassung – auch bei der Bachschule erzielen, bevor die Grundstücke verkauft sind, z.B. durch eine Bankhypothek oder vorweggenommene Zahlungen eines Investors. Mit Verlaub, das ist eine Wette auf mögliche Einnahmen in der Zukunft. Wir sind hier im Gemeinderat aber nicht zum Wetten da, sondern um seriöse Kommunalpolitik zu machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt ein schönes deutsches Sprichwort: „Man soll das Fell des Bären erst verteilen, wenn er erlegt ist.“ Also hören Sie bitte damit auf, mit Finanzen zu spekulieren, die wir nicht haben. Am Ende kann so was richtig teuer werden.
  3. Zum Dritten meinen die Antragsteller, von den veranschlagten 3,2 Millionen Euro für die Sanierung der Sporthalle der Multschule möglicherweise eventuell unter Umständen etwas einsparen zu können. Sie wissen nicht, ob oder was oder wie viel. Sie wollen sich demnächst die Halle mal anschauen und vor Ort nach Einsparpotentialen suchen. Das können Sie gerne tun. Sie dürfen auch gern eine Glaskugel mitnehmen. Aber nennen Sie so was nicht einen seriösen Antrag zum Haushalt der Stadt Weinheim 2016.

Nein, meine Damen und Herren, um unserem gemeinsamen Ziel eines möglichst baldigen Neubaus der Albert-Schweitzer-Schule tatsächlich näher zu kommen, sollten wir die Verwaltung beauftragen, gangbare Möglichkeiten zu entwickeln, den Bau früher als geplant umzusetzen und dies in den Haushalt 2017 einzuplanen. Damit können wir das politisch notwendige Signal setzen, aber ein Haushaltsantrag für heute ist das eben nicht.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Damit komme ich zu dem großen Thema des letzten und sicher auch diesen Jahres: Die menschenwürdige Unterbringung derer, die von Krieg und Elend aus ihrer Heimat vertrieben wurden und bei uns in Weinheim Sicherheit und eine Perspektive erhoffen. Wir haben uns – nach Auseinandersetzungen mit dem Rhein-Neckar-Kreis – deutlich dafür entschieden, diese Unterbringung möglichst dezentral zu gestalten. Das ist in zweierlei Hinsicht richtig.

  1. Je größer die Wohneinheiten gestaltet werden, umso eher findet seitens der Bewohner eine Binnenfixierung statt, welche Integration erschwert. Kleinere dezentrale Wohneinheiten bieten hier für Alt- wie für Neubürger deutlich bessere Bedingungen.
  2. Das Zusammenwachsen von Alt- und Neubürgern zu einer gemeinsamen Stadtgesellschaft – gemeinhin Integration genannt – ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Beteiligung aller erfordert. Darum sollten die heimatvertriebenen Menschen, die uns für die Unterbringung zugewiesen werden, in allen Stadtteilen eine neue Heimat finden. Kein Stadtteil darf dabei ausgenommen werden. Auch dies spricht für den Weinheimer Weg dezentraler Wohnversorgung.

Wir haben dazu Beschlüsse gefasst, die in unserem Haushalt abzubilden sind. Das ist der Fall. Die Etiketten auf den Haushaltspositionen werden durch die Verwaltung gemäß unserer Beschlüsse ausgetauscht. Den Standort „Friedrichstraße Ost“ haben wir ja nicht beschlossen, den Standort „Händelstraße“ schon. Entscheidend ist, dass die Mittel bereit stehen.

Meine Damen und Herren, uns alle dürfte einen, dass wir mit manchen Beschlüssen zur Anschlussunterbringung gut leben können und dass uns andere Beschlüsse hierzu ärgern. Nach unser aller Erfahrung betrifft Letzteres in aller Regel Beschlüsse zu Standorten in der jeweils unmittelbaren Nachbarschaft. Wie Sie wissen, ist es in meinem Falle noch mal anders herum. Ich ärgere mich über einen Nicht-Beschluss. Ich lebe in der Innenstadt. Warum, meine Damen und Herren, gibt es noch immer keinen Standort in der Innenstadt? Wir haben als LINKE zahlreiche Vorschläge gemacht: das alte Grundbuchamt, am Alten Friedhof, im Stadtgarten, im Hagander-Park, an Stelle des Nazi-Denkmals in der Bahnhofstraße oder auch in der Freudenbergstraße. Immer hieß es: Das geht nicht, da gibt es schon eine Bestandsnutzung. An anderer Stelle war die Bestandsnutzung kein Problem. Meine Damen und Herren, bitte helfen Sie mit, dass wir in diesem Jahr endlich auch einen Standort in der Innenstadt finden.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich habe in meiner Rede dezidierte Kritik unter Anderem an der Weinheimer Liste geübt, weil ihre Vorschläge zur Finanzierung des vorgezogenen Neubaus der Albert-Schweitzer-Schule sie in meinen Augen zu den Lehman Brothers der Weinheimer Kommunalpolitik machen würden.

Ich will an dieser Stelle aber auch ein Lob für die Kollegen der Weinheimer Liste aussprechen. Sie waren fleißig. Sie haben – mal unabhängig von der Qualität – zur heutigen Sitzung zahlreiche Ideen eingebracht, wofür ich ihnen meinen ehrlichen Dank aussprechen will. Auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, würde meine Rede deutlich zu lang werden lassen. Nur soviel: Die von der Weinheimer Liste vorgeschlagenen Verschiebungen des grundhaften Ausbaus in der Institutsstraße und des Neubaus der Bertleinsbrücke werden durch DIE LINKE nicht mitgetragen.

Ich möchte aber einen Vorschlag herausstellen, nämlich die Forderung nach der Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer. Ich habe diese Forderung für DIE LINKE bereits 2011 eingebracht, damals leider mit bescheidenem Erfolg. Umso erfreulicher finde ich es, dass die Weinheimer Liste nun einen neuen Anlauf wagt. DIE LINKE wird diesen Antrag unterstützen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wir ich schon im ersten Teil meiner Rede deutlich gemacht habe, haben wir uns in diesem Jahr sehr schwer getan. Nachdem zentrale Forderungen der LINKEN sich nach Jahren endlich im Haushaltsentwurf finden, ist es uns auch wichtig, dass gerade wegen der Brisanz und Bedeutung der Anschlussunterbringung für die heimatvertriebenen Menschen vom Gemeinderat ein Signal der Geschlossenheit ausgeht, dass wir das Thema gemeinsam und geschlossen angehen. Darum haben wir uns erstmalig dazu durchgerungen, dem Entwurf der Verwaltung – bei allen Problemen – unsere Zustimmung nicht zu verweigern.

Jedoch stehen zahlreiche Änderungsanträge hier und heute zur Abstimmung. Viele dieser Anträge konterkarieren aus unserer Sicht den Anspruch, zu einem transparenten und seriösen Haushalt zu kommen. Sollte dies durch die Mehrheit des Gemeinderates tatsächlich beschlossen werden, dann können wir LINKEN unsere Zustimmung nicht aufrecht erhalten.

Zum Schluss auch von mir ein paar Dankesworte, zunächst an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, die das, was wir hier alles beschließen, letztlich umsetzen müssen, und dies mit Fleiß und viel Geduld tun, was sicher nicht immer leicht fällt.

Ein Dank auch an die vielen ehrenamtlich Tätigen, die dafür sorgen, dass wir all das schaffen, und was wir ohne sie nicht schaffen würden.

Und ein Dank an die Kolleginnen und Kollegen dieses Gremiums, wir werden auch weiterhin viel Freude aneinander haben.

Vielen Dank.