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Rede zum Weinheimer Haushalt 2020

[Rede von Dr. Carsten Labudda, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Weinheimer Stadtrat vom 19. Februar 2020]

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wir verabschieden heute zum ersten Mal unseren städtischen Haushalt unter dem Vorsitz des neuen Oberbürgermeisters Manuel Just. Es ist ein Haushalt der Kontinuität und des Wandels. Mit einer Kontinuität möchte ich beginnen, einer Unsitte, die ich seit Jahren kritisiere. Ich meine die Unsitte, dass wir auch diesen Haushalt erneut erst im laufenden Haushaltsjahr beschließen. Es sollte aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Beschlussfassung noch vor Beginn des Haushaltsjahres erfolgt. Lieber Herr Oberbürgermeister, vielleicht schaffen ja Sie, was ihre Vorgänger nicht wollten. Bitte sorgen Sie dafür, dass wir künftig unseren Haushalt rechtzeitig verabschieden.

Immerhin, das darf ich konstatieren, haben wir uns erneut gegenüber dem Vorjahr um einen Tag verbessert und sind inzwischen beim 19. Februar angelangt. Ich darf an dieser Stelle an Marie Juchacz erinnern. Die SPD-Abgeordnete und Gründern der Arbeiterwohlfahrt hielt heute von 101 Jahren vor dem Reichstag die allererste Rede einer Frau vor einem deutschen Parlament. Das war ein Meilenstein der Frauenrechtsbewegung, der uns daran erinnert, wie viele Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung wir schon gegangen sind und wie viele Schritte noch vor uns liegen. Umso mehr bedauern wir, dass der Weinheimer Gemeinderat es mehrheitlich nicht geschafft hat, in unserer Stadt die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten wieder einzuführen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Der uns vorliegende Haushalt spiegelt das Wahlergebnis der Kommunalwahl vom letzten Jahr wider. Aus dieser Wahl ist die GAL erstmals als stärkste Kraft hervorgegangen. So ist es folgerichtig, dass der Umwelt- und Klimaschutz in diesem Jahr in gesteigertem Maße Niederschlag bei der Haushaltsplanung gefunden hat. DIE LINKE begrüßt das. Es wurde eine zusätzliche Stelle für den Klimaschutz geschaffen, von der eine halbe Stelle aus Gründen der finanziellen Vernunft zunächst noch nicht besetzt wird. Es wurde eine sechsstellige Summe zusätzlich im Haushalt verankert, um Klimaschutzmaßnahmen unterjährig umsetzen zu können. Wenn diese genauer definiert sind, wird sicher über die personelle Unterfütterung neu verhandelt werden.

Was uns LINKE freut, ist der Umstand, dass der nicht-motorisierte Individualverkehr – bekannt als Fahrrad fahren – in diesem Jahr an Attraktivität gewinnen wird. Nicht nur wird das NextBike-Verleihsystem für die nächsten Jahre gesichert und erweitert. Durch die Teilnahme am Radschnellwege-Projekt werden die Hauptachsen des Radverkehrs in Weinheim ausgebaut und sicherer gestaltet. Zudem wird es neue Fahrradstellplätze am Hauptbahnhof und in der Innenstadt geben. Auch die völlig veraltete Fahrradabstellanlage am Waidsee wird endlich saniert und dabei modernisiert. Dass mit letzterem die großen Verkehrsprobleme am Waidsee und auf der Waid nicht gelöst werden, ist allen klar. Dass es nun erste Reaktionen der Stadtverwaltung im Interesse der Anwohner und ihrer Gäste gibt, ist richtig. Wir hoffen, dass im Rahmen der Zukunftswerkstatt gemeinsam mit den Betroffenen nachhaltige städtebauliche und verkehrstechnische Lösungen für das Gebiet gefunden werden.

Weiterhin freut uns LINKE, dass die Bushaltestellen in Weinheim und seinen Ortsteilen nicht nur barrierefrei gestaltet sondern dass auf Initiative des Jugendgemeinderates auch die Wartehäuschen begrünt werden. In diesem Zusammenhang möchten wir einen weiteren Begrünungsvorschlag unterbreiten. Nach der langwierigen aber unabdingbaren Sanierung und Umgestaltung der Mannheimer Straße und des Postknotens hat sich herausgestellt, dass die OEG-Haltestelle Hauptbahnhof täglich von Autofahrern durchquert wird, die damit die Fußgängerampel an der Einfahrt Luisenstraße umgehen. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll gewesen, die Haltestelle zumindest im Einfahrtbereich zu begrünen, wie es ja auch in der Mannheimer Straße gemacht wurde. Das wäre der Sicherheit der ÖPNV-Nutzer und der Aufenthaltsqualität an der Haltestelle zuträglich. Wir möchte daher die Verwaltung bitten, unseren Vorschlag zu prüfen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Für DIE LINKE ist und bleibt die soziale Frage das wichtigste Thema, um den Zusammenhalt der Gesellschaft und ein menschliches Miteinander zu sichern und auszubauen. Hierbei ist zentral, dass die Menschen in ausreichender Menge bezahlbaren Wohnraum vorfinden. Wohnen ist ein Menschenrecht. Weinheim ist in dieser Frage noch nicht da, wo es hinmuss. Die Warteliste mit hunderten bedürftigen Menschen, die bislang keine geeignete bezahlbare Bleibe gefunden haben, spricht Bände. Dass die Bundespolitik uns Kommunen hierbei seit Jahrzehnten im Regen stehen ließ, macht die Sache nicht einfacher.

Doch das Problem wurde erkannt. In diesem Jahr starten endlich die Bauarbeiten für das Neubaugebiet Allmendäcker. Der Umzug der Kreispflege wird in diesem Frühjahr stattfinden, damit auch im Sanierungsgebiet Westlich Hauptbahnhof hunderte neue Wohnungen entstehen können. Mit verbindlichen Richtlinien für den sozialen Wohnungsbau stellen wir sicher, dass in beiden Gebieten auch bezahlbarer Wohnraum errichtet wird. Wir LINKEN sind stolz, an diesen Ergebnissen konstruktiv mitzuwirken, auch wenn wir bedauern, dass private Investoren und nicht die Stadt als zukünftiger Eigentümer und Vermieter auftritt. Mittelfristig sollte es am Sulzbacher Dammweg weitergehen. Und nicht nur das.

Vor einigen Jahren machten wir LINKEN öffentlich, dass die Stadt Weinheim über Jahre doppelt so viel Geld an den städtischen Wohnungen verdient wie investiert hatte. Der damit einhergehende Substanzverlust war kein Ausweis, dass die Stadt hier ihrer sozialen Verantwortung ausreichend nachgekommen wäre. Das hat sich geändert. Weinheim baut den entstandenen Sanierungsstau ab. Das Wohnhaus in der Mannheimer Straße 14 bis 20 ist in hier von mehr als nur symbolischer Bedeutung. Dass bei dieser Sanierungsmaßnahme zugleich vier zusätzliche Wohnung geschaffen werden, freut uns. Dass die Maßnahme im vorliegenden Haushalt finanziell abgesichert wird, findet unsere Unterstützung. Diese Entwicklung muss verstetigt werden. Neben dem Nachbarhaus in der Mannheimer Straße sind aus unserer Sicht mittelfristig die Zeppelinstraße und der Kurbrunnenweg dran.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Zur sozialen Frage gehört auch, dass die gesamte Stadt sich weitergehende Gedanken macht, wie der Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft erhalten und gefördert werden kann. Insbesondere nach der Zuweisung hunderter geflüchteter Menschen seit 2015 hat DIE LINKE jahrelang darauf gedrängt, dass zur Bewältigung der damit einhergehenden Herausforderungen ein Integrationskonzept entwickelt wird. Nachdem es auf Antrag der LINKEN einen einjährigen intensiven Beteiligungsprozess aller Beteiligten gab, wurde das Integrationskonzept endlich verabschiedet. Wir freuen uns, dass dabei über die Integration der geflüchteten Menschen hinaus die Diversität unserer Stadtgesellschaft als Ganzes in den Blick genommen wird. Die nächsten aus dem Konzept folgenden Maßnahmen sind im vorliegenden Haushalt finanziell abgesichert. Das macht uns froh und findet dementsprechend unsere Unterstützung.

Im Rahmen des sozialen Zusammenhalts fordert DIE LINKE seit Jahren die Einführung eines Familienpasses. In diesem Jahr hat die GAL das Thema in die Haushaltsberatungen eingebracht. Im Ergebnis wird die Verwaltung im Laufe des Jahres eine Vorlage für den Gemeinderat entwickeln. Auch das finden wir erfreulich.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Mehr als nur eine soziale Frage ist das Thema der Bildung und Betreuung unserer Kinder. Bildung ist ein Menschenrecht. Trotz intensiver Bemühungen standen wir im letzten Jahr nicht so gut da, wie wir sollten. Dass die Verwaltung uns einen nicht auskömmlichen Bedarfsplan vorgelegt hatte, haben wir LINKEN scharf kritisiert. Inzwischen wurden die Anstrengungen verstärkt, um künftig Kinderbetreuungsplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen zu können. Dafür möchten wir allen Beteiligten unseren Dank aussprechen.

Während DIE LINKE im vorletzten Jahr noch kritisierte, dass die Kita auf der Waid zur Disposition stand und eine Kita im Neubaugebiet Allmendäcker unsicher war, hat sich das inzwischen grundlegend geändert. Der Bedarf für beide Standorte wurde anerkannt. Ebenso wurde inzwischen der zunehmend größere Platzbedarf der Kita Pusteblume erkannt und eine Nutzung von Räumlichkeiten im angrenzenden Gebäude der Bachschule geprüft.

In diesem Zusammenhang bedauern wir sehr, dass die einstmals erhofften Verkaufserlöse für das Bachschul-Gelände nicht aus der mittelfristigen Finanzplanung gestrichen wurden. Die zum Schulbezirk gehörende Pestalozzi-Grundschule platzt schon heute aus allen Nähten. Es ist bezeichnend, dass die dortige Grundschulbetreuung bis heute teilweise gar nicht im Schulgebäude sondern in externen Räumlichkeiten in der Moltkestraße stattfinden muss. DIE LINKE ist überzeugt, dass mit dem Neubaugebiet Westlich Hauptbahnhof auch der Bedarf an Grundschulplätzen steigt. Dem entsprechend bleibt es uns ein wichtiges Anliegen, dass in dem Gebiet rund um die Wormser Straße ein Grundschulangebot gemacht werden muss. Es soll zum Einen den zusätzlichen Kindern ein wohnortnahes Angebot machen und zum Anderen im Bezug auf den Bestand die Pestalozzischule entlasten. Deshalb sind wir weiterhin der Auffassung, dass das Bachschulgelände nicht privatisiert werden darf. Auch, wenn diese Erkenntnis noch nicht mehrheitsfähig im Gemeinderat ist, sehen wir doch, dass ein stetig steigender Teil des Gremiums Einsicht in den von uns seit Jahren prognostizierten Bedarf zeigt. Das macht uns Hoffnung.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Die soziale Frage beinhaltet auch, dass den Menschen in Weinheim in ausreichender Zahl Arbeitsplätze zu guten Bedingungen zur Verfügung stehen. Lohndumping, ausbeuterische Leiharbeit und Befristungen lehnen wir ab. In diesem Zusammenhang sehen wir es als erfreulichen Fortschritt an, dass ein großer Teil der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschulbetreuung endlich entfristet werden und dies auch im Haushalt abgebildet ist. Es ist ein Unding, dass Kolleginnen und Kollegen alljährlich mit Beginn der Sommerferien zum Jobcenter müssen, und dieses Los Schuljahr für Schuljahr erleiden. Deshalb bleibt DIE LINKE bei ihrer Forderung, dass auch den noch verbleibenden befristeten Betreuerinnen und Betreuern unbefristete Angebote durch die Stadt gemacht werden sollten.

Angesichts der personellen Entwicklung bei Weinheims mit Abstand größtem Arbeitgeber bleibt es eine wichtige Aufgabe, dass unter Beachtung sozialer und ökologischer Maßgaben eine Gewerbeentwicklung mit Augenmaß betrieben wird. DIE LINKE ist erfreut, dass beim neuen Gewerbegebiet zwischen Moschee und Druckhaus Diesbach neben den zentralen Kriterien der Wertschöpfung und der Arbeitsplatzdichte nicht nur Fragen der Nachhaltigkeit den Ausschlag für einen Zuschlag geben. Erstmalig wird auf unsere Anregung hin ein neues Ansiedlungskriterium in den Entscheidungskatalog aufgenommen, nämlich die Tarifbindung der interessierten Firmen. Es geht eben nicht nur um Arbeit. Es geht um gute Arbeit.

Um zu einer guten Arbeit zu kommen, benötigen manche jungen Menschen besondere Unterstützung und Qualifizierung. Hierzu gibt es bei uns in Weinheim das Projekt der Lern-Praxis-Werkstatt. Ich möchte Herrn Rasic und seinem Team sowie allen, die die Einrichtung dieses Projektes möglich gemacht haben und möglich machen, für ihr herausragendes Engagement danken. Es freut uns LINKE außerordentlich, dass auch diese Einrichtung mit dem vorliegenden Haushalt Planungssicherheit für die kommenden Jahre erhält.

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Im Namen der LINKEN möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern Weinheims für ihr großes Engagement zum Wohle unserer Stadt danken. Auf so eine rege Bürgerschaft können wir alle stolz sein.

Beim Thema ehrenamtliches Engagement möchte ich an dieser Stelle besonders den vielen Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr danken, die tagein tagaus für unsere Sicherheit arbeiten. Ich hoffe sehr, dass das bestehende Führungsproblem in diesem Jahr endlich gelöst werden kann.

Ich danke den Journalistinnen und Journalisten, die sehr professionell unsere ehrenamtliche Arbeit begleiten.

Unseren Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, die sich kompetent, ideenreich und mit viel Energie darum kümmern, dass aus den Beschlüssen des Gemeinderates praktisches Handeln wird.

Ich möchte einen besonderen Dank der Kämmerei um Herrn Soballa aussprechen,  trägt doch gerade ihre Haltung, konservativ zu rechnen, dazu bei, dass wir bei Bedarf immer mal noch einen Notgroschen im Stadtsäckel finden.

Ich danke den demokratischen Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates dafür, dass wir bei allen Meinungsverschiedenheiten stets einen kollegialen Umgang pflegen. Hierbei möchte ich unsere neue Kollegin Tamy Fraas besonders hervorheben. Ihre frühzeitigen klaren Worte haben aus unserer Sicht dazu beigetragen, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen alle Provokationen des leider gewählten Altnazis einstimmig zurückgewiesen wurden.

Unter all den ausgeführten Bedingungen erkläre ich im Namen der Linksfraktion unsere Zustimmung zum Haushalt 2020.

Vielen Dank.