[Rede von Kreisrat Dr. Carsten Labudda, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises vom 14. Dezember 2021]
Sehr geehrter Herr Landrat,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Nachdem die meisten Aspekte des Haushaltsentwurfes von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits angesprochen wurden, will ich mich auf wenige Punkte beschränken, die für die Linksfraktion von besonderer Bedeutung sind.
Thema „Frauen helfen Frauen e.V.“
DIE LINKE begrüßt ausdrücklich, dass sich der Rhein-Neckar-Kreis des Themas Gewalt gegen Frauen endlich vermehrt annimmt. Wir finden es richtig und wichtig, dass hierzu dezentrale Beratungsangebote aufgebaut und ein Frauenhaus und vier Schutzwohnungen eingerichtet wurden. Warum, so werden Sie fragen, will DIE LINKE dennoch die Förderung für den Heidelberger Träger dieser Angebote in 2022 erhalten. Dies hat zwei Gründe:
- Grundlage der Konzeption unseres Kreises zur Thematik sind die Istanbul-Konvention von 2011 und die Empfehlungen des Europarates von 2006. Nach letzterem werden im Kreis mindestens 28 Plätze in Frauenhäusern benötigt. Nach der aktuelleren Istanbul-Konvention sind es sogar 55 Plätze. Der Rhein-Neckar-Kreis verfehlt beide Ziele deutlich. Das bedeutet, dass wir auch weiterhin der Heidelberger Ressourcen bedürfen, um ein halbwegs auskömmliches Angebot bieten zu können. Darum finden wir es falsch, uns an der Bereitstellung dieser Ressourcen nicht mehr zu beteiligen, zumal die häusliche Gewalt im Rahmen der Corona-bedingten Einschränkungen leider zugenommen hat.
- Bislang haben wir keine Hinweise bekommen, inwieweit unsere Verwaltung mit der Heidelberger Stadtverwaltung in Kontakt getreten ist, damit diese unsere ausbleibende Förderung kompensieren kann. Einfach Zuschuss streichen jedenfalls wäre aus unserer Sicht schofel. Wir LINKEN halten es für einen anständigen Stil, wenn der Rhein-Neckar-Kreis die Stadt Heidelberg persönlich vorwarnt und es ihr so ermöglicht, zum Haushaltsjahr 2023 für die notwendige Kompensation zu sorgen.
Thema „PLUS e.V.“
Einige hier im Saal können sich vielleicht an die Dorfpride Oftersheim erinnern. Sie war ein bunter und gut sichtbarer Ausdruck, dass auch in unserem Kreis Schwule, Lesben, Trans und andere queere Menschen sich für ihre grundlegenden Rechte und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung einsetzen. Wenn diese Menschen individuell Hilfe und Beratung suchen, dann sind die Beratungsstellen des PLUS e.V. in Mannheim und Heidelberg die nächstgelegenen Optionen. Der Verein hat den Zulauf aus unserem Kreis ausführlich dokumentiert und die Verwaltung überzeugen können, dass ein Zuschuss des Rhein-Neckar-Kreises angemessen ist. Leider sah die Mitte-Rechte Mehrheit im Sozialausschuss das anders. Aus unserer Sicht zeigt das, dass den konservativen und Rechten Parteien die Schicksale queerer Menschen noch nicht in ausreichendem Maße interessieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn mich mein Eindruck täuscht. Am einfachsten können Sie diesen Eindruck widerlegen, indem Sie der Förderung des PLUS e.V. heute ihre Zustimmung nicht verweigern.
Thema „Sozialticket“
Wir haben hier im Kreistag in den letzten Jahren immer wieder über die Einführung eines Sozialtickets gestritten. Immer wieder neu hat der Mitte-rechte Teil des Saales den Mitte-linken Teil überstimmt. Immer wieder wurden vor Vorschläge der Grünen, der SPD und der Linken abgelehnt. Was aber nie gelöst wurde, ist der Umstand dass insbesondere armen Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe nicht über die dafür notwendige Mobilität verfügen.
Mannheim hat sich des Problems angenommen und eine Lösung gefunden. Heidelberg hat sich des Problems angenommen und eine Lösung gefunden. Auch bei uns im Kreis haben Walldorf und St. Leon-Rot Lösungen gefunden.
Besonders spannend wird es hierbei im Kommenden Jahr in Heidelberg und Walldorf, wo im kommenden Jahr sogar die Ticketfreiheit eingeführt wird. Das halten wir für nicht nur unter dem sozialen Aspekt für eine gute Richtung, denn um die Klimaziele zu erreichen, müssen Alternativen zum Autoverkehr massiv an Attraktivität gewinnen.
Weil uns LINKEN die Vorbehalte bei Union, Freien Wählern und FDP bekannt sind, wollen darum einen neuen Weg anbieten. Lassen Sie unsere Verwaltung konzeptionell arbeiten. Vielleicht gelingt es auf diesem Wege, bestehende Bedenken besser als in der Vergangenheit aufzunehmen.
Thema „Kreisumlage“
Wir stellen fest, dass das Thema der Kreisumlage von der SPD gänzlich anders angegangen wird als von uns LINKEN.
Wir LINKEN sehen im Vorschlag der Verwaltung einen guten Schritt auf die Gemeinden des Kreises zu. Die Senkung der Kreisumlage um ein halbes auf 24,5% wird den Bedarfen des Kreises und den Bedürfnissen der Gemeinden gleichermaßen gerecht.
Hierbei sinkt die Deckungsquote beim Nettoressourcenbedarf im Sozialbereich von etwa dem landesweiten Durchschnitt von 96% auf nur noch 91%. Die Verwaltung nimmt dies in Kauf. Die Deckungslücke wird der Liquidität entnommen. Wir LINKEN sehen diesen Schritt als problematisch an, denn üblicherweise wird eine 100%ige Deckung angestrebt. Angesichts der deutlich steigenden Verschuldung des Kreises kann und darf die Vergrößerung der Deckungslücke nur ein einmaliges Ereignis sein angesichts der fiskalischen Folgen der Corona-Krise.
Wenn die SPD hier und heute erreichen will, dass wir die Kreisumlage nochmal um einen ganzen Prozentpunkt senken, dann halten wir LINKEN das für keine verantwortungsvolle Politik. Je mehr die Deckungsquote im Sozialbereich sinkt, umso mehr steigt der Druck im sozialpolitischen Kessel, denn so wird in unseren Ämtern und Behörden ein Druck aufgebaut, die wenigen vorhandenen Entscheidungsfreiräume nicht mehr zu Gunsten sondern zu Lasten der Bedürftigen bei uns im Kreis auszulegen. Ich mag ungern glauben, dass die Sozialdemokratische Partei Politik auf dem Rücken der armen Mitbürgerinnen und Mitbürger machen will. Der vorgelegte Antrag zur Kreisumlage erreicht aber genau das.
Ich will auch gern darauf hinweisen, dass der Rhein-Neckar-Kreis bereits den zweitgeringsten Hebesatz zur Kreisumlage in ganz Baden-Württemberg und einen der niedrigsten bundesweit hat. Bei der Kreisumlage sollte es aber nicht um einen Wettlauf nach unten gehen, sondern um eine sinnvolle Austarierung zwischen Kreis und Gemeinden.
Und darum ein persönliches Wort zu Ihnen, Herr Dr. Göck (SPD): Ich gehöre diesem Gremium seit nunmehr 12 Jahren an. Jedes, wirklich jedes Jahr war eine Senkung der Kreisumlage ihr gefühltes Hauptthema. Jedes Mal wiesen sie auf die Not der Gemeinden hin, gern auch ihrer eigenen. So auch in diesem Jahr. Der Kreis soll in 2022 zusätzlich auf 11 Millionen Euro verzichten und dafür seine Liquidität abschmelzen. Auf der anderen Seite lese ich auf den Seiten der Gemeinde Brühl, dass Sie 2022 Liquidität aufbauen. Seien Sie mir nicht böse, aber vor diesem Hintergrund empfinde ich Ihren Antrag als ganz schön dreist. Da hätten Sie doch wohl mal ausnahmsweise ein Jahr zuwarten können.
Wir LINKE verfolgen den Ansatz, Korrekturen bei der Kreisumlage nicht als Blankoscheck sondern zielgerichtet anhand konkreter Aufgaben zu betrachten. In unserem Fall betrifft das
- die Finanzierung einer Bezuschussung unserer Kommunen für die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen,
- die Übergangsfinanzierung von Frauen helfen Frauen e.V. und somit des auch von Bürgerinnen unseres Kreises genutzten Frauenhauses in Heidelberg,
- die psychologische Beratung für Lesben, Schwulen und andere queere Menschen sowie
- die aus unserer Sicht notwendige Entwicklung einer klimafreundlichen Mobilitätsperspektive für alle, auch arme Menschen im Kreis.
Dies alles ist mit einer Korrektur der Kreisumlage um lediglich ca. 0,033 Prozentpunkte gut finanzierbar und tut weder dem Kreis noch den Kommunen weh. Deshalb bitte ich Sie alle hier im Saal darum, unseren Vorschlägen Ihre Zustimmung zugeben. Vielen Dank.
Zum Abschluss möchte ich im Namen der LINKEN Dank aussprechen an
- unseren Landrat und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rhein-Neckar-Kreises und seiner Unternehmen,
- Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen demokratischen Parteien,
- den Journalistinnen und Journalisten, die über das Geschehen im Kreis berichten sowie
- den interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die unsere Arbeit zum Wohle des Kreises konstruktiv und tapfer begleiten.
Auf ein besseres Jahr 2022. Vielen Dank.